
Illustration: Rupert Hörbst
Fotografie
Vom Zufall zum Gerichtsfall
Die spannendsten Geschichten entstammen Zufällen. Das gilt für das Leben genauso wie für die Alltagsarbeit der Verbandsanwälte des Rechtsschutzverbandes bei der Aufklärung und Verfolgung von Urheberrechtsverletzungen.
Fotografen und Fotografinnen in ganz Österreich entdecken tagtäglich und oftmals rein zufällig ihre Fotos im Internet, auf Plakatwänden, in Büchern oder auf Messen und müssen feststellen, dass diese Nutzungen weder angefragt noch jemals genehmigt worden sind. Sei es die Fotografin, die in einem Lebensmittelmarkt plötzlich übergroße Werbebanner mit ihrem Foto wahrnimmt; der Fotograf, der in seiner Heimatstadt bei einem Spaziergang einen Lieferwagen entdeckt, ebenso mit einem seiner Bilder versehen oder die junge Mitarbeiterin eines Fotostudios, die bei einem Friseurbesuch in einem Flyer Fotos ihres Chefs entdeckt, die den Salon bewerben, deren Nutzung in dieser Form aber nie vereinbart wurde. All diese Zufallsfunde haben eines gemeinsam: sie verletzen die Urheber in ihrem Recht, ihre Fotos auf die ihnen durch das Gesetz vorbehaltenen Arten zu verwerten.
Um den Weg des Zufalls zu gehen, kommen wir also zurück zum bereits erwähnten Spaziergang. Der Fotograf dieser Geschichte ist in seiner Heimatstadt unterwegs, als er im dichten Verkehr vor der dortigen Fußgängerzone einen Lieferwagen entdeckt, der ihm nicht nur den Weg versperrt, sondern über eine Gestaltung verfügt, die das Interesse unseres Fotografen weckt. Bei näherem Hinsehen und nach dem ersten Gedanken – tolles Foto! – erkennt der Fotograf, dass es sich nicht „nur“ um ein wirklich gelungenes Bild handelt, das in Übergröße an der Seitenwand des Lieferwagens angebracht ist, sondern dass es sein tolles Foto ist, das er ein knappes Jahr zuvor im Rahmen eines Auftrags für ein neues Hotel aufgenommen hat. Das Bild zeigt eine der neu eingerichteten Hotelsuiten, der Lieferwagen aber gehört weder zum Hotel noch zum Betreiber desselben. Die Aufschrift des Lieferwagens verrät unserem Fotografen schließlich das dazugehörige Unternehmen – ein Inneneinrichter, der wohl die Suiten des Hotels gestaltet hat.
Verwundert und verärgert über diese Entdeckung fertigt der Fotograf schließlich Bilder des Lieferwagens an, um sich mithilfe dieser auf die Suche nach weiteren Verwendungen der von ihm angefertigten Bilder zu machen. Die Suche gestaltet sich für den Fotografen – Google sei Dank – nicht schwierig; der Inneneinrichter und dessen Homepage sind schnell gefunden. Ebenso schnell gefunden sind die Bilder unseres Fotografen dort, alle integriert in den Web-Auftritt des besagten Innenausstatters, ohne Hinweis auf unseren Fotografen als Urheber der Fotos und ohne dessen Erlaubnis dazu eingeholt zu haben. Schockiert über diese Dreistigkeit recherchiert der Fotograf – Google-Bildersuche sei Dank – weiter und findet seine Fotos auf zahlreichen Seiten, von deren Betreibern unser Fotograf noch nie etwas gehört hat. Der Fotograf ruft sich die damalige Vereinbarung in Erinnerung, durchforstet seine Unterlagen, liest die dazugehörige Korrespondenz und findet – wie erwartet – nichts. Keiner der nunmehrigen Verwender hat je um Erlaubnis angefragt, seine Bilder verwenden zu dürfen, sondern die Fotos – wie sich später herausstellte – ohne Rücksprache mit dem Fotografen und damit ohne entsprechende Erlaubnis zur Verwendung vom Hotelier erhalten. Nach stundenlanger Recherche und als schließlich das gesamte Ausmaß der Verwendungen bekannt scheint, wendet sich der Fotograf an die Verbandsanwälte des Rechtsschutzverbandes, die für ihn die an die jeweiligen Gegner zu versendenden Aufforderungsschreiben vorbereiten, die ihm zustehende Entschädigungsleistung berechnen und schließlich an insgesamt acht Betriebe und Unternehmer herantreten, die allesamt die Bilder unseres Fotografen verwendet und damit Urheberrechtsverletzungen zu verantworten haben.
Mithilfe der Verbandsanwälte und schon durch deren außergerichtliches Einschreiten und dahingehend, dass den Unternehmern eine Klage nur angedroht wurde, konnten sich sechs der acht Fälle, die dem oben erwähnten Zufall entsprungen sind, klären und für den Fotografen, abgesehen von einer nicht unbeachtlichen Entschädigungsleistungssumme, erreicht werden, dass die Verwendung der Bilder unverzüglich unterlassen wird.
Nur zwei der acht in Anspruch genommenen Unternehmer – darunter der eingangs erwähnte Inneneinrichter und eine Baufirma, die das Hotel errichtet hat – konnten sich freiwillig nicht dazu durchringen, die Verwendung der Bilder zu unterlassen und eine entsprechende Entschädigungsleistung an den Fotografen zu bezahlen, sodass deren Fälle von den Verbandsanwälten vor Gericht gebracht wurden. Abgesehen davon, dass die zuständigen Richter auf ganzer Linie den Verbandsanwälten und ihren Argumenten folgten, kam es für den Inneneinrichter besonders bitter: Während des laufenden Verfahrens kam heraus, dass dieser auch in diversen Magazinen Werbeanzeigen geschaltet hatte, die allesamt die Bilder unseres Fotografen zum Inhalt hatten. Abgesehen von den von ihm zu tragenden gesamten Gerichtskosten samt den Kosten für alle beteiligten Anwälte konnte sohin auch die Entschädigungsleistungssumme für den Fotografen nochmals erhöht werden.
„Wer nicht hören will, muss fühlen“ trifft es im Zusammenhang mit dieser Geschichte vermutlich auf den Punkt und zeigt wieder einmal die für die Berufsfotografen Österreichs äußerst wichtige Arbeit des Rechtsschutzverbandes. Die hier aufgezeigte Geschichte ist aber kein Einzelfall, im Gegenteil – im Verbandsanwaltsbüro des RSV wird täglich aus zumindest einem Zufall ein Fall, in welchem die Vertretung übernommen und eine vorliegende Urheberrechtsverletzung erfolgreich bekämpft wird. Über 265 Fälle wurden allein von Jänner bis September 2019 anhängig gemacht und für die Fotografen bis zum Stichtag 11.09.2019 ein Betrag in Höhe von EUR 391.894,20 erstritten.
Nähere Infos in den Verbandsanwaltsbüros in Oberösterreich und Wien bei Mag. Nina Steinmayr und Mag. Florian Pitner. www.sp-r.at / www.rsv-fotografen.at
Suche nach möglichen Urheberrechtsverletzungen für Fotografen unter www.aufdecker.at.